Meine Lieblingsorte in Seoul (die alten)

(Foto: MissSeoulFood) Jeder hat so seine Lieblingsorte, an denen er sich gern aufhält und die ihm besonders viel bedeuten.

Für manche ist es das Fußballstadion (auch, wenn der Heimatverein gerade die erste Liga verlassen musste), für andere ist es der Couchplatz vor dem Fernseher, ein dritter fühlt sich auf seinem Sportgerät wohl (vom Fahrrad, über das Surfbrett bis zum Pferderücken) und so manch einer soll sogar an seinem Arbeitsplatz am glücklichsten sein.

Die schönsten Plätze

Ich persönlich habe ja jede Menge Lieblingsorte. Und einige davon befinden sich tatsächlich in Seoul/Korea. Da die Stadt so groß ist, gibt es ganz viele kleine und große Ecken, die mir besonders gut gefallen. Fangen wir mit den offensichtlichsten an:

„Ikseon“ ist ein lebendiges, kleines Viertel nahe der Jong-Ro, der sogenannten „Glockenstraße“, die eine der Hauptachsen der Stadt bildet. Die Gassen sind so eng, dass es nur Platz für Fußgänger gibt. Autos, Fahrräder und Pferde müssen draußen bleiben. Man kann also als verträumter „Hans-guck-in-die-Luft“ durch das Viertel laufen und ist dabei sicher vor jeglichen Verkehrsunfällen.

Kaffeehaus-Kultur

Neben den kleinen Boutiquen mit hübschen Textilien und Accessoires und einer bezaubernden, traditionell angehauchten Reiskuchen-Konditorei (oder ist es eher eine Patisserie?), gibt es hier jede Menge Cafés in umgebauten Hanok-Häusern. Ein Hanok ist übrigens ein traditionell koreanisches Haus. Mit geschwungenen Dächern und so.

Diese Hanok-Cafés verfolgen entweder ein westliches Konzept und bieten zum Beispiel Scones (Café Highwaist) oder eine riesige Auswahl an fantastischen Bagels (Café Onjisim) an. Falls man unbedingt westlich frühstücken muss… (Ich persönlich esse ja auch gern Kimbab oder Doenjang-Jjigae zum Frühstück. Jedenfalls in Korea.)

Reise in die Vergangenheit

Oder sie sind ein Zeitfenster in die Vergangenheit: Man(n) muss auf dem Boden an niedrigen Tischen sitzen, ständig befürchten, nie wieder aufstehen zu können und mir das auch andauernd mitteilen. Dafür bekommt man traditionelle koreanische Tees, Getränke und Süßigkeiten. Was den Mann zumindest ein bisschen versöhnt…

Mein Mann ist übrigens der Süße, ich eher die Herzhafte. Zum Glück bietet Ikseon beides: Eine Ecke des Viertels besteht AUSSCHLIESSLICH aus Korean BBQ-Lokalen. Es gibt in dieser Ecke NICHTS anderes. Es handelt sich also um DEN Korean BBQ-Heaven! Fast alle sind ziemlich rustikal, die Inhaber und Bedienungen herzlich und sehr bodenständig und alles geht hier Zack Zack oder auf Koreanisch: Balliballi. Die meisten arbeiten tatsächlich mit brennenden Briketts, die mit einer Zange in das Loch in der Mitte des Tisches eingelassen werden.

Feuerfleisch

Sieht immer ein bisschen gefährlich aus und ist es wahrscheinlich auch. Aber mir gefällt diese Variante viel besser als die mit Gas oder sogar Strom. Offenes Feuer und Fleisch gehören irgendwie zusammen, finden Sie nicht auch?

Wahrscheinlich ist es reiner Zufall, dass einer meiner Lieblingsorte in Seoul mit Essen in Verbindung steht. Ein zweiter Lieblingsort ist jedoch der Cheonggyecheon-Bach. Ja, ich weiß. Die Aussprache ist für Nicht-Koreaner sehr schwierig. Aber der Ort ist wirklich toll!

Bachgewässer

Das Gewässer ist rund 6 Kilometer lang, schlängelt sich von Ost nach West durch die Stadt und an seinem Ufer sind zu beiden Seiten breite Spazierwege angelegt. In dieser autofreien Fußgängerzone kann man nicht nur wunderbar flanieren und von unserer Hanok-Unterkunft am Dongdaemun (Osttor) bis in die City laufen. Auch hier läuft man nicht Gefahr, versehentlich von einem Auto oder Bus überfahren zu werden. (Das ist ja mein absoluter Alptraum. Ein Unfall im Urlaub/Ausland.)

Hier finden auch Aufführungen, Konzerte und Festivals statt und an manchen Tagen hat auch die Seoul Outdoor Library geöffnet. Dann sitzen zahlreiche Menschen in bequemen Plastiksesseln am Fluss, schauen auf das Wasser. Und lesen! Mitten in einer Metropole.

Spannende Geschichte

Was ich außergewöhnlich finde: Auf der ganzen Strecke befindet sich nicht ein einziger Imbissstand. Weder Getränke, noch Essen, noch Zuckerwatte werden hier verkauft. Was vielleicht gar keine so schlechte Idee ist, denn auf der ganzen Strecke gibt es nicht einen einzigen Abfalleimer!

Der Bach hat übrigens eine sehr spannende Biographie: Zuerst war der Bach eine Lebensader der Stadt. Während der japanischen Kolonialzeit entwickelte er sich jedoch zu einem Abwasserkanal und einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit. Nach dem Koreakrieg war der Bach an seinem Tiefpunkt angelangt: Es wurde zum Mittelpunkt der Slums.

Back to the roots

Nachdem in den 60-Jahre eine Straße das Gewässer überdeckte, die damals als Zeichen des Fortschritts galt, wurde Anfang der 2000-er Jahre der Bach renaturiert. „Back to the roots“, hieß es (nicht nur) in Seoul. Das Ergebnis des millionenschweren Projekts: Die Umgebung des Bachs ist 3,6 Grad Celsius kühler als der Rest der Stadt. Eine natürliche Klimaanlage, die auch noch gut aussieht.

Schöner, kühler, sauberer

Die Luftzirkulation verbesserte sich ebenfalls und damit auch die Luftreinheit. Die Stadt ist nicht nur schöner und kühler, sondern auch sauberer geworden! Flora und Fauna haben ebenfalls einen neuen Lebensraum mitten in Seoul gefunden. (Wahrscheinlich läuft mir hier demnächst ein Reh über den Weg…)
Am wichtigsten ist aber wahrscheinlich der Wertewandel, den der Erfolg des Projekts ausgelöst hat: Seitdem wurden 16 weitere Hochstraßen in Seoul entfernt und durch öffentliche Plätze oder breitere Gehwege ersetzt. Man kann jetzt nicht sagen, dass die Stadt nun barrierefrei und fahrradfreundlich geworden ist. Aber man arbeitet dran…

Mein Tipp, falls Sie mal nach Seoul fahren: Essen Sie Bulgogi in Ikseon! Auch, wenn ihnen das offene Feuer nicht ganz geheuer ist. Trinken Sie Tee in einem traditionellen Café. Aber Sie müssen auf dem Boden sitzen! Und gehen Sie am Cheongyecheon spazieren. Vergessen Sie nur nicht eine Abfalltüte für Bananenschalen und benutzte Taschentücher.

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Eigenes Kochevent
Ihr eigenes koreanisches Kochevent - Ein Erlebnis für alle Sinne
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